Summary
Description
Gemeinsam gegen Ausgrenzung:
Streetbolzer „fairbindet“ jugendliche Straßenfußballer*innen
Fußballspielen ist ein gemeinschaftliches Ereignis, bei dem Angehörige unterschiedlichster sozialer Milieus aufeinandertreffen und zueinanderfinden. Der gemeinnützige Verein Streetbolzer e. V. veranstaltet jährlich rund 20 Straßenfußballturniere im Großraum Kassel und fördert unter dem Motto „Kreativ – fair – antirassistisch“ den Austausch junger Menschen im Alter von 10 bis 20 Jahren – beim Fußballspielen und darüber hinaus.
Aufeinander zugehen
Viele Kinder und Jugendliche verlassen ihre Viertel eher selten, folglich bestehen häufig nur wenige Kontakte über die jeweiligen (kulturellen) Gruppen und Stadtteilgrenzen hinaus. Die durch Streetbolzer initiierte Vernetzung der einzelnen Bolzplätze verändert dies absichtsvoll: Die Turniere wandern durch die Quartiere und jedem Team fällt im Jahresverlauf die Rolle zu, Gastgeber für die anderen Mannschaften zu sein. Die Straßenfußballer*innen setzen sich so mit Gleichaltrigen auseinander, bauen – auch wenn es anfänglich Schwierigkeiten bereiten kann – Vorurteile ab und lernen, Konflikte friedlich und konstruktiv zu lösen, anstatt sie auf der körperlichen Ebene auszutragen.
Fairplay auf allen Ebenen
Die Notwendigkeit zur Anwendung dieser sozialen, interkulturellen und kommunikativen Kompetenzen ergibt sich aus der Besonderheit, dass Straßenfußball ohne Schiedsrichter*innen gespielt wird. Dies bedeutet, dass die Jugendlichen selbstständig Regeln aushandeln und einhalten sowie potentielle Streitigkeiten lösen müssen, um den Spielbetrieb aufnehmen bzw. fortsetzen zu können. In Turnieren kommen daher lediglich sogenannte Spielbeobachter*innen zum Einsatz, die zuvor durch besonders vorbildliches soziales Verhalten aufgefallen sind. Diese besprechen mit den Teams vor den Spielen in einer Dialogzone die Regeln und bewerten im Anschluss jeder Partie das Einhalten dieser ausgehandelten Regeln gemeinsam mit allen Spieler*innen. Diskriminierendes Verhalten aller Art, selbst wenn es vermeintlich „nicht so gemeint“ war, wird konsequent geahndet und wirkt sich negativ auf die Fairplay-Wertung aus, die genauso ins Spielergebnis einfließt wie erzielte Tore. Gegenseitiger Respekt und Wertschätzung sind oberstes Gebot.
Vielfalt statt Einfalt
Pro Turnier werden konstant über 100 Kinder und Jugendliche überwiegend mit Migrationshintergrund erreicht. Eine besonders erfreuliche Entwicklung zeigt sich darin, dass inzwischen mehrere Jugendhilfeeinrichtungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aber auch Mannschaften von jungen bulgarischen Zuwanderer*innen regelmäßig an den Turnieren teilnehmen. Diese Kinder und Jugendlichen haben oftmals erschwerte Startbedingungen in einem für sie fremden kulturellen Umfeld und sehen sich Problemen wie Heimatlosigkeit, Sprachdefiziten, Vorurteilen und Stigmatisierungsprozessen ausgesetzt. Der Straßenfußball dient als Plattform, um sich auf der sportlichen Ebene mit Gleichaltrigen zu messen, miteinander ins Gespräch zu kommen und somit das Gefühl von Zugehörigkeit zu vermitteln.
Aufklärung und Dialog
Streetbolzer begreift Fußballspielen als Anknüpfungspunkt für soziale Verantwortung und politische Bildung. So kam es während des Gaza-Krieges stellenweise zu anti-israelischen bzw. antisemitischen Äußerungen seitens einiger muslimischer Jugendlicher aus dem Streetbolzerumfeld. Diese Bekundungen wurden vornehmlich über Facebook getätigt und waren somit den Vereinsangehörigen von Streetbolzer partiell zugänglich. Daraufhin traten Vorstandsmitglieder in Dialog mit den Jugendlichen, um mehr über die Hintergründe für die getätigten Aussagen herauszufinden und diese kritisch im Spiegel eigener Erfahrungen zu diskutieren. So kamen die Jugendlichen auch mit einem Vorstandsmitglied mit jüdischem Hintergrund ins Gespräch, das sich als Lehrbeauftragter an der Universität Kassel mit der Problematik des Nahostkonflikts und mit israelisch-palästinensischen Begegnungsprojekten intensiv beschäftigt hat. Infolgedessen konnten sich die Jugendlichen über verschiedene Standpunkte austauschen und bekamen so die Möglichkeit, Fragen über Israel und Palästina zu stellen, auf die sie bis dato in ihrem gewohnten sozialen Umfeld oftmals parteiische und zum Teil vorurteilsbehaftete Antworten erhielten.
Zeichen setzen
Um auch öffentlichkeitswirksam ein Zeichen gegen Ausgrenzung zu setzen, engagiert sich Streetbolzer zudem als Mitveranstalter und sportliche Leitung einmal jährlich beim Kasseler Straßenfußballturnier „Kick Rechts weg“. Dabei setzen sich die Teilnehmer*innen mit (Alltags-)Rassismus und Rechtsextremismus, aber auch mit geschichtlichen Themen wie der Deportation von Juden am Kasseler Hauptbahnhof auseinander. Teil dieses mit anderen politischen und sozialen (Jugend-)Institutionen organisierten Aktionstages ist – neben den sportlichen Aktivitäten – unter anderem ein entsprechendes Themenquiz, das teilweise in die Wertung des Turniers integriert ist. Darüber hinaus haben medieninteressierte Straßenfußballer*innen des Projekts „Streetbolzer TV“ in diesem Zusammenhang einen aktuellen, spannenden Filmbeitrag mit dem Titel „Raus aus dem Abseits: Streetbolzer TV meets ‚nEUstart’“ erstellt, der benachteiligten Jugendlichen eine Stimme gibt und der Öffentlichkeit zeigt, dass Straßenfußball einen wertvollen Beitrag zur Integration in Deutschland leistet.
Gemeinsam mit den jungen Straßenfußballer*innen bezieht Streetbolzer Stellung für Vielfalt, Respekt und Toleranz und zeigt jeglicher Form von Diskriminierung die rote Karte!